"Sommertour" durch die Niedersächsischen Gedenkstätten

Gedenkstätten in Niedersachsen im Fokus

Im Rahmen meiner Sommertour 2024 habe ich vom 21. Juni bis zum 9. Juli zentrale Gedenk- und Erinnerungsorte in Niedersachsen besucht. Diese Orte sind nicht nur Mahnmale, sondern lebendige Bildungsräume – getragen von beeindruckendem zivilgesellschaftlichem Engagement, oft auf Basis jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit.

 

Warum Erinnerungsarbeit heute so wichtig ist

In Zeiten, in denen rechtsextreme Positionen wieder Anschluss an gesellschaftliche Diskurse finden, in denen geschichtsrevisionistische Narrative zunehmen und unsere Demokratie unter Druck gerät, ist Erinnerungsarbeit keine bloße Rückschau – sie ist aktive Zukunftsarbeit. Die Gedenkstätten in Niedersachsen leisten hierzu einen unverzichtbaren Beitrag. Sie bewahren das Gedenken, sie klären auf, sie ermöglichen kritisches Reflektieren und Empathie.

Stationen der Tour

Die Reise führte mich u.a. nach Wehnen, Lüneburg, Bergen-Belsen, Esterwegen, Moringen, Rehburg-Loccum, Marienborn, Bückeberg, Augustaschacht und zur DIZ Emslandlager. Jede dieser Stationen brachte berührende, bestürzende und erkenntnisreiche Eindrücke mit sich. Einige Schlaglichter:

  • In Wehnen und Lüneburg wurde das Ausmaß nationalsozialistischer „Euthanasie“-Verbrechen sichtbar – und das lange gesellschaftliche Schweigen danach. Der Einsatz der Trägervereine für historische Aufarbeitung und Bildungsarbeit verdient höchste Anerkennung.

  • Die Gedenkstätte Bergen-Belsen verdeutlicht die Grausamkeit und systematische Entmenschlichung der Konzentrationslager. Gleichzeitig sind die Herausforderungen dort exemplarisch: Wie macht man Geschichte greifbar, wenn Gebäude fehlen? Wie gelingt zeitgemäße Vermittlung?

  • In Moringen beeindruckte mich besonders die Vielfalt der Bildungsarbeit, die inklusive, partizipative und internationale Perspektiven verbindet – aber zunehmend an Kapazitätsgrenzen stößt.

  • Am Lernort Bückeberg wird deutlich, wie wichtig es ist, nicht nur Opfer- sondern auch Täterorte zu beleuchten – und welche Rolle Inszenierung, Propaganda und Verführung im Nationalsozialismus spielten.

  • Der Lehrpfad der Stolpersteine in Rehburg-Loccum zeigt, wie lokal und konkret Erinnerungsarbeit sein kann – mit biografischen Zugängen, die Geschichte greifbar machen.

  • Die Gedenkstätte Marienborn, als Ort der deutsch-deutschen Teilung, macht deutlich: Erinnerung endet nicht 1945. Sie muss auch die Zeit nach dem Nationalsozialismus und die Konflikte der Nachkriegsgeschichte umfassen.

Fazit

Die Tour hat mir einmal mehr gezeigt: Die Gedenkstättenlandschaft in Niedersachsen ist vielfältig, engagiert – aber strukturell unterfinanziert. Viele Einrichtungen arbeiten ehrenamtlich oder auf Projektbasis, ohne langfristige Sicherheit. Das ist angesichts der Bedeutung ihrer Arbeit nicht hinnehmbar.

Ich fordere deshalb eine Verstetigung der Mittel aus der politischen Liste (1,2 Mio. € jährlich) in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes. Nur so können Gedenkstätten wie Moringen, Esterwegen, der Bückeberg, die Augustaschacht-Gedenkstätte oder die Lüneburger Euthanasie-Gedenkstätte dauerhaft arbeiten, planen und ihre Angebote weiterentwickeln.

 

Erinnern ist mehr als Gedenken

Gedenkstätten sind keine Museen. Sie sind Bildungsorte, Forschungsorte, Diskursräume. Sie sind Orte der Auseinandersetzung mit Gewalt, mit Schuld, mit Verantwortung – und sie geben Impulse für eine demokratische, offene Gesellschaft.

Erinnern bedeutet: sich einmischen. Haltung zeigen. Lernen. Nie wieder zur Phrase verkommen lassen.

Ich danke allen Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen, Initiativen und Trägervereinen für die Gespräche, Einblicke und das Vertrauen. Die Ergebnisse dieser Sommertour nehme ich mit in meine politische Arbeit – für eine lebendige, kritische und zukunftsfähige Erinnerungskultur in Niedersachsen.

Bildergalerie der Veranstaltung